Stellungnahme zur Zulassungsbeschränkung für das Referendiat im Lehramt
Sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Spaenle,
mit großer Sorge verfolgen die Lehramtsstudierenden aller Fachrichtungen den Gesetzesentwurf zur Zugangsbeschränkung zum Referendariat. Als direkt betroffene Studierendenschaft und somit künftige Betroffene im Vorbereitungsdienst möchten auch wir gerne zu Ihrem Gesetzesentwurf fristgerecht Stellung beziehen.
Zunächst einmal möchten wir Ihnen jedoch dafür danken, zumindest einen Vertrauensschutz für die Studierenden höherer – wenn auch bislang nicht aller – Semester einzuräumen. Ebenso begrüßen wir die Möglichkeit, dass nun auch Studierende des Grund- und Mittelschullehramts ihr Studium mit einer sonderpädagogischen Förderrichtung erweitern können, um somit Lehramtsstudierenden aller Schularten die Möglichkeit zu geben, sich auch fachlich auf das Unterrichten in inklusiven Klassen vorzubereiten.
Die Studierendenschaften lehnen jedoch die Einführung des Artikels 5a im BayLBG in vorliegender Fassung und somit die Zugangsbeschränkung zum Referendariat aus zahlreichen Gründen ab, die wir Ihnen im Folgenden darlegen möchten.
1. StudienabsolventInnen ohne Alternativen zum Referendariat
1.1. Keine flächendeckenden Alternativabschlüsse
Mit der geplanten Einführung des Artikels 5a im BayLBG wird unter anderem eine frühere Umorientierung der überschüssigen AbsolventInnen in den freien Arbeitsmarkt als Alternative zur Beschäftigung beim Freistaat Bayern angeregt. Problematisch ist dabei aber, dass mit dem ersten Staatsexamen kein Abschluss, sondern lediglich die Zulassungsberechtigung zum Vorbereitungsdienst erlangt wird. Somit ist die Konkurrenzfähigkeit der Lehramtsstudierenden auf dem freien Arbeitsmarkt äußerst fragwürdig. Mit einem konsequenten Ausbau des zusätzlichen Erwerbs des Bachelorbzw. Masterabschlusses könnte diesen Missständen zumindest entgegengesteuert werden.
1.2. Bewerbung in andere Bundesländer
LehramtsabsolventInnen ohne Anstellungsmöglichkeit beim Freistaat bewerben sich häufig nach Abschluss ihres zweiten Staatsexamens in Schulsysteme anderer Bundesländer. Dies ist aber aufgrund der heterogenen Bildungslandschaft nach dem ersten Staatsexamen nicht durchführbar, sondern erst mit einer vollständig abgeschlossenen Lehramtsausbildung. Mit einer zusätzlichen Verlängerung der Ausbildungszeit durch Wartezeiten wird der Einstieg in den Beruf unnötig herausgezögert und erschwert.
2. Universitäre Leistungen als Einstellungskriterium
2.1. Bewertung der Lehrkräfte aufgrund des ersten Staatsexamens
Ein zu erwartender Effekt der Zugangsbeschränkung ist neben der Abschreckung potentieller StudienanfängerInnen weniger die Verzögerung, sondern vielmehr die zügigere Berufsumorientierung. Damit geht einher, dass die Lehrkräfte früher als nötig aussortiert werden. Die dafür zugrundeliegenden Kriterien sind an dieser Schnittstelle nur noch die im Studium erbrachten Leistungen und nicht mehr wie bislang auch die Kompetenzen, welche die LehramtsanwärterInnen im Kontext Schule beweisen können. Wir halten die Bewertung anhand des Notenschnitts im Studium für ein unzureichendes Kriterium, anhand dessen nicht über die Befähigung zur Lehrkraft entschieden werden darf. Die Qualität von Lehrkräften sollte nicht allein nach ihrer Fähigkeit bemessen werden, Fakten auswendig zu lernen, sondern vor allem nach ihren pädagogischen, didaktischen, sozialen und persönlichen Kompetenzen, die sie nur im Vorbereitungsdienst unter Beweis stellen können. Durch eine Zulassungsbeschränkung zum Vorbereitungsdienst wird den potentiellen Lehrkräften diese Chance genommen.
2.2. Erhöhung des Drucks auf Studienleistungen
Mit der Reduzierung der angehenden Lehrkräfte auf ihre Studienleistungen steigt auch zwangsläufig der Erfolgsdruck auf die Studierenden. Zu befürchten ist damit ein Rückgang der freiwilligen zusätzlichen Leistungen im Bereich Studium und auch im Ehrenamt. Da insbesondere in der Ausbildung zukünftiger MultiplikatorInnen der Gesellschaft die Bildung und Entfaltung der Persönlichkeit ein zentraler Punkt sein sollte, ist die Reduzierung der Bereitschaft zusätzlicher Aktivitäten kritisch. Zudem werden insbesondere solche Studierende zusätzlich benachteiligt, die auf eine parallele Berufstätigkeit angewiesen oder mit der Betreuung bzw. Pflege von Erwachsenen bzw. Heranwachsenden betraut sind.
2.3. Herabsenkung der Validität von Einstellungsnoten
Die Möglichkeit aufzuzeigen, dass Kompetenzen für den Schulalltag nicht nur theoretisch beherrscht werden, sondern auch praktisch angewendet werden können, ist eine große Chance des Vorbereitungsdienstes. Zusätzlich nimmt die Aussagekraft der späteren Einstellungsnote mit der Anzahl und Vielfalt der Bewertungen zu, sodass mit den zusätzlichen Leistungen im Vorbereitungsdienst insgesamt eine zuverlässigere Aussage getroffen werden kann, ob die Person für den Beruf der Lehrkraft geeignet ist. Wie man außerdem anhand der Noten der LehramtskandidatInnen im externen Vergleich erkennen kann, gibt es zwischen den Universitäten, aber auch zwischen den einzelnen Fächern und Fachkombinationen deutliche Unterschiede in den Notendurchschnitten. Bei einer gleichen Lehrbefähigung, die unabhängig vom studierten Fach ist (z.B. Grund- und Mittelschule), werden so die bereits vorhandenen Unterschiede zwischen den Fächern noch deutlicher und bieten keine Möglichkeit mehr, diese durch den Vorbereitungsdienst zumindest ansatzweise auszugleichen.
3. Verlust von qualifizierten Lehrkräften
3.1. Hemmung der Motivation zur Studienaufnahme
Die Einführung des Artikels 5a soll unter Anderem zur Folge haben, Studieninteressierten oder StudienanfängerInnen frühzeitig aufzuzeigen, wie die aktuelle Arbeitsmarktlage ist. Abgesehen vom sog. Schweinezyklus und den damit einhergehenden nur bedingt zuverlässigen Bedarfsprognosen, werden die geplanten Maßnahmen Studierende voraussichtlich dazu verleiten, in die fachlichen Studiengänge zu wechseln, innerhalb deren Ausbildung keine Zwangspausen zu erwarten sind. Ebenso ist zu erwarten, dass nicht nur überbelegte Fächer weniger studiert werden, sondern auch stark nachgefragte Fächer aufgrund der Ungewissheit, ob eine Beschränkung – und damit eine potentielle Unterbrechung – für das entsprechende studierte Lehramt in Kauf genommen werden muss. Eine frühere Regulation durch Beratung, entsprechende Prognosen und Anpassung der Studieneingangsvoraussetzungen senkt zwar die Flexibilität von staatlicher Seite für kurzfristige Maßnahmen in Bezug auf Planstellen und bildungspolitische Maßnahmen, regulier diese aber sowohl für Mangelfächer als auch für Fächer mit einem Überangebot an AbsolventInnen angemessener.
3.2. Senkung der Flexibilität
Eine mögliche Feststellung von Überangebot oder Fehlstellen konnte bisher durch Führung von Wartelisten ausgeglichen werden, nunmehr ist eine Reaktion zukünftig nur noch mit zweijähriger Verzögerung möglich, da zusätzlich benötige Lehrkräfte im Bedarfsfall erst noch den Vorbereitungsdienst durchlaufen müssen. Es geht also nicht nur die persönliche Flexibilität durch einen fehlenden berufsqualifizierenden Abschluss mit dem ersten Staatsexamen verloren, sondern auch die Flexibilität des Ministeriums zur kurzfristigen Reaktion auf aktuelle und bildungspolitische Entwicklungen wie beispielsweise der Andrang von geflüchteten Personen oder die Inklusion.
3.3. Verlust von einbringbaren Kompetenzen
Durch die zeitliche Trennung zwischen der theoretischen Ausbildung und der begleiteten, praktischen Anwendung des Erlernten im Referendariat ist ein gewisser Verlust an erlerntem Wissen zu erwarten. Dies senkt nicht nur unnötigerweise die Qualitäten der Lehrkraft, sondern hat auch dementsprechend eine reduzierte Chance für eine äquivalente Ausbildungsfortführung für wartende Vorbereitungsdienstanwärter mit schlechteren universitären Leistungen zur Folge. Diese AbsolventInnen des ersten Staatsexamens können nicht darauf hoffen, dass sie im Vorbereitungsdienst selbst bei vergleichbarer Eignung zur Lehrkraft eine ähnlich hohe Leistung aufweisen wie KollegInnen, die eine Direktzulassung zum Vorbereitungsdienst erhalten haben. Somit sinken für diese Absolventen die Übernahmechancen für eine Planstelle nach dem Vorbereitungsdienst demzufolge noch weiter
4. Unzureichende Regelungen
4.1. Möglichkeiten der Weiterbildung während der Wartezeit
Im Änderungsentwurf für das BayLBG ist nicht festgelegt, ob sich wartende AbsolventInnen des Staatsexamens z.B. durch Erweiterungsfächer oder Promotion weiter qualifizieren dürfen, ohne dass die für diesen Zweck verwendete Zeit auf die Wartezeit aufgeschlagen wird bzw. der Wartelistenplatz gefährdet ist. Eine Weiterqualifizierung sollte dabei keineswegs ein Hinderungsgrund sein und darf – ebenso wie die Beschäftigungen in anderen (pädagogischen) Berufen – die Wartezeit nicht zusätzlich verlängern.
4.2. Umfassender Vertrauensschutz
Sollte die Regelung zur Zulassungsbeschränkung in Kraft treten, ist jedoch ein umfassender Vertrauensschutz zu gewährleisten. Dieser muss tatsächlich allen derzeitigen Studierenden zugute kommen und daher ab dem Studienbeginn Wintersemester 2015/16 gelten. Somit wird sowohl den derzeitigen Studierenden, als auch solchen in besonderer Lage (z.B. Erkrankungen, Pflege) Schutz gewährt. Dies ist durch die Härtefallregelung nicht ausreichend abgedeckt, da auch vorübergehende Lebenslagen das Studium erheblich verzögern können. Eine Orientierung der Regelung sollte daher am Beginn des Studiums und nicht dem des Vorbereitungsdienstes festgemacht werden.
5. Weitere Anmerkungen zu Gesetzesänderungen
5.1. Beibehaltung des Artikels 6a – Akademische Grade
Es wird zwar begründet, dass durch das BayHSchG der Artikel 6a “entbehrlich geworden” ist, jedoch empfinden wir die ausdrückliche Regelung im BayLBG, auch alternative Abschlüsse zu ermöglichen, als äußerst wünschenswert. Sollte der Artikel 5a entgegen aller Widersprüche eingeführt werden, ist es umso bedeutsamer den Lehramtsstudierenden flächendeckend echte Abschlüsse am Ende ihres Studiums zu ermöglichen. Eine eigene Regelung im BayLBG, die explizit die Abschlüsse Lehramtsstudierender regelt, sollte daher beibehalten werden.
5.2. Beibehaltung des Absatzes 22(6)
Die Hinzuziehung außerschulischer Fachkräfte zur Kompensation fehlender Fachlehrkräfte ist zwar kein wünschenswerter – und keinesfalls als Regelfall zu handhabender – Vorgang, jedoch in echten Mangelsituationen erforderlich. Mit dem BayBG steht dieser Absatz unserer Meinung nach nicht in Konflikt oder Redundanz; daher fordern wir die Beibehaltung des Absatzes 22(6).
Insgesamt lehnen wir aus den aufgeführten Gründen die Einführung einer Zulassungsbeschränkung zum Vorbereitungsdienst in Form des Artikels 5a ab. Vielmehr schlagen wir eine Intensivierung und Förderung von Orientierung und Beratung vor und zu Studienbeginn vor, z.B. durch Schulpraktika und Ausbau der Studienberatungen an Schulen, Universitäten und Studierendenwerken. Auch die Stärkung der polyvalenten Ausbildung und damit der Möglichkeiten zum fachbezogenen Studienwechsel ohne großen Zeitverlust sollte in die jeweiligen Richtungen (Fachwissenschaft, pädagogische Studiengänge, Lehramt) gestärkt werden, sodass auch Studierende im bereits fortgeschrittenen Studium auf Prognosen reagieren können.
Wir danken Ihnen herzlich für die Berücksichtigung unserer Vorschläge und freuen uns auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
SprecherInnen der LAK Bayern
Stellungnahme
Landes-ASten-Konferenz Bayern
c/o Studierendenvertretung der LMU
Leopoldstraße 15
80802 München