Das Sommersemester 2022 verspricht das erste Semester auf dem Weg aus der Pandemie zu sein. Trotzdem befinden wir uns weiterhin in einer kritischen Situation, die auch das Hochschulwesen massiv beeinflusst. Daher sind in dieser Position der bayerischen Landesstudierendenvertretung die wichtigsten Wünsche und Anliegen der Studierenden gesammelt. Wie auch in den letzten vier Semestern leistet die LAK damit einen konstruktiven Beitrag zur Bewältigung der Corona-Pandemie an bayerischen Hochschulen. [1]
Präsenzlehre hat oberste Priorität
Nach zwei Jahren digitaler Lehre, ist es nun dringend notwendig, die Lehre an bayerischen Hochschulen wieder hauptsächlich präsent zu gestalten. Die zu Beginn des Wintersemesters erhöhte Präsenz hat deutlich gezeigt, wie sehr Studierende von dieser profitieren. Es werden Lerngruppen gebildet, beim gemeinsamen Mittagessen werden Erfahrungen ausgetauscht und die studentischen Vereine füllen die Hochschule mit Leben. All das geht während den Online-Semestern verloren. Nach zwei Jahren werden die Studierenden, die diesen Alltag kennen, immer weniger. Deswegen hat die Sicherung der Präsenzlehre für dieses Sommersemester oberste Priorität. Sofern es die pandemische Lage zulässt, sollen Hochschulen ein möglichst hohes Präsenzangebot schaffen.
Gleichzeitig ist jedoch auch auf den Schutz von Lehrenden und Studierenden zu achten. Diese oder ihr nahes Umfeld können weiterhin Teil von Risikogruppen sein. Daher soll eine Anwesenheitspflicht bei Veranstaltungen, die als Teil der Prüfungszulassung gilt, ausgesetzt werden. Studierende sollen also an einer Prüfung teilnehmen können, auch ohne die dazugehörige Veranstaltung in Präsenz besucht zu haben. Außerdem werden trotz sinkender Krankenbettenbelegung weiterhin auch Studierende in Quarantäne müssen, deswegen sind für diese Lernmaterialien digital zur Verfügung zu stellen.
3G als Zielvorgabe
Um die Präsenz für alle Studierenden zu sichern, sind die Veranstaltungen an den Hochschulen, sowie Zugang zu weiteren zentralen Einrichtungen wie die Bibliotheken, mit 3G nach der jeweils aktuell geltenden Empfehlungen der STIKO zu gestalten.
Die Überprüfung der 3G-Regelung soll hierbei wie im letzten Semester in der Verantwortung der Hochschulen liegen. In eigenen Infektionsschutzkonzepten sollen Hochschulen festlegen, wie die 3G-Regeln überprüft werden und eine Kontaktnachverfolgung stattfinden kann. Außerdem sollen dort Maßnahmen festgehalten werden, wie Risikogruppen geschützt werden können und wie mit risikoreichen Situationen (wie bspw. große Menschenansammlungen) umgegangen werden soll.
Innerhalb der Hochschule kann eine Maskenpflicht weiterhin sinnvoll sein. Können in Vorlesungsräumen oder den Bibliotheken die Abstände von 1,5 m eingehalten werden, sollte auch geprüft werden, ob die Maskenpflicht am Platz entfallen kann.
Die hohe Impfquote unter Studierenden trägt ebenfalls zu einem sicheren Hochschulalltag bei. Deswegen ist auch mit 3G ein sicheres Präsenzsemester möglich. Für die Studierenden, die einen Test für das Teilnehmen an Präsenzveranstaltungen benötigen, muss dieser kostenlos sein. Im letzten Wintersemester, als die kostenlosen Bürgertestungen im Oktober ausgesetzt wurden, konnten sich Studierende weiterhin testen. Das war ein zentraler Schritt zur Eindämmung des Infektionsgeschehen. Dass die kostenlosen Bürgertestungen mittlerweile wieder eingeführt wurden, bestärkt diese Einschätzung.
Finanzieller Ausgleich für Hochschulen
Die bayerischen Hochschulen haben in den vergangenen beiden Jahren erheblich in die Folgen der Pandemie investiert. Darunter fallen der Ausbau von digitalen Lehrangeboten, die technische Ausstattung von Hörsälen und Seminarräumen für hybride Lehre und die Fortbildung von Lehrenden für digitale Lehre aber auch der Umbau von Infrastrukturen, die durch Infektionsschutzkonzepte- und gesetze erforderlich wurden. Zudem wurden finanzielle Mittel in die Anschaffung und Erweiterung von Softwarelizenzen und den Ausbau der IT-Infrastruktur der einzelnen Hochschulen gesteckt. Auch hat ein Teil der Hochschulen versucht, die finanziellen Auswirkungen auf die Studierenden abzudämpfen, indem sie beispielsweise Kosten für Testungen übernommen haben.
Die Hochschulen haben hier Geld aufgewendet, um die direkten Folgen der Pandemie für die Hochschulfamilie abzumildern. Gleichzeitig leiden viele Hochschulen auch weiterhin unter einem starkem Investitions- und Baustau. Für beides gleichzeitig fehlen die Mittel. Die Pandemiebekämpfung und die zukünftige Leistungsfähigkeit des bayerischen Wissenschaftsstandorts dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Deswegen braucht es Corona-Ausgleichsmittel sowie einen Ausbau der finanziellen Unterstützung von Hochschulen.
Verlängerung der individuellen Regelstudienzeit
Auch das kommende Sommersemester wird noch von der Pandemie geprägt sein. Dadurch ergeben sich eine Vielzahl an Situationen, die sich nachteilig auf den Studienfortschritt der Studierenden auswirken. Einerseits werden wie auch in den letzten Semestern Studierende durch Quarantäne bzw. Isolation an einem geregelten Studienfortschritt gehindert. Andererseits haben Studierende auch weiterhin mit teilweise schweren sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu kämpfen. Zwei Jahre Selbststudium und eingeschränkte Nebenjobmöglichkeiten wirken hier nach. Viele Fördermaßnahmen sind an die individuelle Regelstudienzeit geknüpft. Dazu zählen unter anderem die BAföG-Förderungshöchstdauer, die Aufenthaltshöchstdauer in studentischen Wohnheimen oder die Dauer von Förderstipendien. Fallen diese Maßnahmen weg, entsteht ein ernstzunehmendes Gefälle zwischen Studierenden, die sich anderweitige Unterstützung holen können und denen, die eben darauf nicht zurückgreifen können.
Deswegen ist es im Rahmen der Bildungsgerechtigkeit für das kommende Sommersemester hoffentlich letztmals nötig, die individuelle Regelstudienzeit zu verlängern. Konkret bedeutet das, dass sich Fachsemester- und damit auch Regelstudienzeitgebundenen Regeltermine und Fristen automatisch um ein Semester verschieben beziehungsweise verlängern. Diese Verlängerung muss rechtzeitig kommuniziert und umgesetzt werden, um den Studierenden die notwendige Planungssicherheit zu geben.
Freiversuchsregelungen bayernweit ermöglichen
Genauso, wie es Studierende gibt, die Unterstützung benötigen, um weiter studieren zu können, gibt es Studierende, die in den vier Semestern Digitalstudium zwar Vorlesungen besucht haben, Prüfungen zu diesen Themen aber nicht abgelegt haben. Dies kann unter anderem daran liegen, dass sie sich nicht gut genug vorbereitet fühlen oder sie auf bessere Prüfungsbedingungen hoffen. Diese Studierende können dazu motiviert werden, Prüfungen abzulegen, wenn ein Nichtbestehen konsequenzfrei bleibt. So etwas kann durch eine Freiversuchsregelung gelöst werden. Das bedeutet, dass eine abgelegte Prüfung nicht auf die Maximalanzahl von Prüfungen angerechnet werden kann. In den bisherigen Semestern wurden Hochschulen auch durch unsere Forderungen [2] zwar darauf hingewiesen, dass sie zum Nachteilsausgleich von Studierenden alle Möglichkeiten – auch eben Freiversuche – ausschöpfen sollen, dies wurde aber nur von einer handvoll Hochschulen umgesetzt. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Hochschulen in Bayern, das auch die Studierenden merken. An zahlreichen Hochschulstandorten waren die Studierenden im Januar und Februar dieses Jahrs unzufrieden mit der Durchführung der Prüfungsphase und der teilweise unflexiblen Haltung der Hochschulleitungen. Eine landesweite Regelung wirkt einem solchen Flickenteppich entgegen und schafft einheitliche und vergleichbare Studienbedingungen.
Psychosoziale Beratung
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Ausbau der psychosozialen Beratungsangebote, welchen wir bereits in den Beschlüssen zu den letzten Pandemiesemestern sowie in unserer Pressemitteilung [3] fordern. Laut einer aktuellen Studie des fzs e.V. berichten 50 Prozent der befragten Studierenden über schlechte Gefühle, wenn sie an ihr Studium denken und ebenfalls mehr als die Hälfte klagt über eine steigende Arbeitsbelastung [4]. Auch mit einem baldigen Ende der Pandemie werden die Spätfolgen der Studierenden aller Semester noch viele Ressourcen benötigen, weswegen die psychosozialen Beratungsangebote zwingend ausgebaut werden müssen. Wir fordern ein Soforthilfeprogramm, um die Studierendenwerke und Hochschulen bei dem Ausbau ihrer Infrastruktur zu unterstützen und auch die Einnahmeverluste der Studierendenwerke zu kompensieren.
Runder Tisch
Auch weil es ohne Frage drängendere Probleme in der Hochphase der Pandemie gab, haben die strukturellen negativen Folgen an den Hochschulen nicht die benötigte Aufmerksamkeit bekommen. Neben den individuellen schweren Folgen sind in zwei Jahren ohne Präsenz auch essenzielle Strukturen aufgrund von Nachwuchsproblemen zusammengebrochen. In Zoom-Veranstaltungen ist es viel schwieriger Studierende für Tutorien zu gewinnen, das Knowhow und die regelmäßigen Veranstaltungen wie Festivals oder Vortragsreihen in Fachschaften oder Vereine sind in Vergessenheit geraten und die, die es noch wissen sind entweder bereits weg oder kurz vor dem Abschluss. Kurzum, das akademische und soziale Leben rund um die Hochschule ist gefährdet, aber noch zu retten. Deshalb fordern wir einen runden Tisch, ähnlich der Gesprächsrunde der Schüler*innen, an dem die Vertreter*innen des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege gemeinsam mit Studierenden und studentischen Vertreter*innen vor Ort eine Lösung finden, um die sozialen Auswirkungen der Pandemiesemester auf die Studierenden zu reduzieren.
Ausblick
In der Pandemie mussten viele Entscheidungen sehr schnell getroffen werden und es kann weiterhin nur auf Sicht gefahren werden. Unsere Forderungen haben sich immer der aktuellen pandemischen Lage angepasst. Trotzdem kann bereits heute festgestellt werden, dass auch in den kommenden Semestern die Präsenz zu bevorzugen ist. Um das zu gewährleisten, müssen dementsprechende politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Eine geregelte und sichere Präsenz muss das oberste Ziel für die kommenden Semester sein.
[1], [2] https://digitalsemester.bayern/ [3] https://www.lak.bayern/2022/02/02/die–pandemie–fordert–ihren–tribut–studierende–psychisch–am–ende/ [4] https://www.fzs.de/wordpress/wp–content/uploads/2022/01/fzs–Umfrage–online–Auswertung–18.01.22.pdf
Position
Landes-ASten-Konferenz Bayern
c/o Studierendenvertretung der LMU
Leopoldstraße 15
80802 München